Die Kinder freuen sich schon auf schulfrei. In Städten, Dörfern und Gemeinden werden die Festivitäten für den Feiertag vorbereitet. Überall im Land finden Diskussionsveranstaltungen, Friedensfeiern, Trainingscamps oder Nachbarschaftsfeste statt. Europa feiert seit einigen Jahrzehnten den 6. Oktober als „Tag der Gewaltfreien Kommunikation“. Anderswo in Europa nennen sie es „Friedenstag“ oder „Tag der Gewaltfreiheit“. Welcher Name auch immer: die Welt feiert den Geburtstag Marshall B. Rosenbergs als den Tag, der der Menschheit Frieden brachte. Der uns lehrte, achtsam miteinander zu kommunizieren.

Was uns so alltäglich und normal erscheint, es war nicht immer so in unserer Welt. Wir erfahren in unserem Leben, wie in Gemeinschaften, Kindergärten, Schulen, in Unternehmen oder Familien, einfühlsam, und achtsam agiert wird. Es ist für uns selbstverständlich, sich an Bedürfnissen zu orientieren oder Gefühle zu benennen. Viele Jahre zuvor, noch im Jahre 2018, hatte sich die Menschheit noch nicht zu dem gesellschaftlichen Miteinander entwickelt, wie wir es heute kennen.

Damals gab es eine Streitkultur, die auf Gewalt basierte. In Talkshows, in Parlamenten, in den Medien – die Menschen kommunizierten, indem sie bewerteten. Indem sie verurteilten. „Du bist falsch – ich bin richtig“, so das kurze Credo derjenigen, die eigentlich einander verstehen wollten. So sprachen Eltern mit ihren Kindern auf eine Weise, die keine Wahl lässt. Chefs brüllten ihre Mitarbeiter an. Lehrer glaubten, die Leistungen ihrer Schüler benoten zu müssen.

Heute, einige Jahrzehnte später, dürfen wir uns an diese dunkle Zeit erinnern. Eine Zeit, in der die Menschen einander nicht sehen konnten. In der sie aneinander vorbeiredeten und nicht in der Lage schienen, zuzuhören. Sich miteinander zu verbinden. Doch es gab auch einige Pioniere. Frauen und Männer, die erkannten, dass es Alternativen gibt. Die um ein Werkzeug wussten, das der Mann, dessen Geburtstag inzwischen weltweit gefeiert wird, erstmals formulierte und diese Erkenntnisse mit der Welt teilte. Ihr ahnt es schon: es war die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg.

Was wir heute nur noch aus alten Filmen kennen, es war tatsächlich einmal Realität: Menschen reagierten mit Unverständnis, Skepsis, zuweilen auch mit Spott und Hohn auf die Erkenntnisse der Gewaltfreien Kommunikation: „Ja, ja: gewaltfreies Töpfern – ist klar.“

Irgendwann hat der Funke allerdings gezündet. Heute blicken wir mit Respekt auf diese kleine Gruppe an Menschen, die an die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) glaubte. Sie praktizierte, lehrte und verbreitete. Sie waren die Avantgarde für eine friedliche Welt, so wie wir sie heute kennen. Ohne diese Menschen stünden wir vielleicht heute nicht hier. Hätten vielleicht nie gelernt, Konfliktsituationen, in denen unsere Bedürfnisse nicht erfüllt werden, so zu meistern, dass die menschlich Verbindung bestehen bleibt.

Es waren Menschen, die an die GFK glaubten. Es gab Trainierinnen und Trainer, zertifizierte, anerkannte, Menschen mit viel Erfahrung im Umgang mit der GFK. Mediatoren, Autoren, Verleger, Lehrer, Eltern, Coaches und viele viele Frauen und Männer, die das Potenzial dieses Werkzeugs erkannten und verbreiteten. Die uns eine Sprache beibrachten, in der wir Bedürfnisse erkennen und Gefühle benennen konnten. Die uns lehrte Situation beobachtend und nicht bewertend zu beschreiben. Die uns Empathie beibrachte und uns den Unterschied zwischen einer Bitte und einer Forderung aufzeigte.

Ich weiß, Vielen von euch mag das jetzt ein Lächeln entlocken. Gestattet mir daher einen kleinen Blick zurück auf das Jahr 2018. Es war der 11. August, als eine passionierte Gruppe, bestehend aus drei Frauen und Männern, eine Webseite ins Leben rief, die dazu aufrief, am 6. Oktober den Tag der GFK zu begehen.

„Spinner“ wurden sie damals genannt – ja so redeten die Menschen tatsächlich miteinander. Sie wurden nicht wirklich wahr- oder ernstgenommen. Es schien, als würden sie nur im Untergrund agieren. Doch immer mehr von ihnen zeigten sich schließlich im Licht der Öffentlichkeit. Scheuten sich nicht davor auf die Kiste zu steigen und es laut hinauszuschreien. Die mit dafür sorgten, ihre Mitmenschen wachrütteln. Sie ermunterten, in ihrer Kommunikation neue Wege zu beschreiten.

Vielleicht sind die Anfänge unseres heutigen weltweiten Festtages irgendwo auch bei diesem 11. August 2018 zu finden. Was diese Menschen damals so alles auf die Beine stellten: Einrichtung, Gestaltung und Pflege der Webseite, Logo-Wettbewerb- und -auswahl, Merchandisingprodukte wie zum Beispiel Aufkleber. Dann waren das Kosten für Porto- und Versand, Presseveröffentlichungen und vieles weitere mehr. All das wollte finanziert sein. Es waren Sponsoren, wie der Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e.V., der die gewaltige Summe von 1.400 Euro beisteuerte. Der „D-A-CH deutsch-sprechender Gruppen für Gewaltfreie Kommunikation e. V.“, der mit 950 Euro die Sache unterstützte. Oder Verein Gewaltfreie Kommunikation Austria: 200 Euro flossen von dieser Seite in das Projekt „Tag der Gewaltfreien Kommunikation“. Wer weiß, was aus uns geworden wäre, ohne all diese Menschen, Organisationen und Gruppen.

Wozu die Menschen seinerzeit ermuntert werden mussten, für uns ist es heute gang und gäbe: wir nutzen ganz selbstverständlich die Plattform, die uns das Internetportal bietet, um auf Termine oder Veranstaltungen zum Tag der GFK aufmerksam zu machen.

Ja, ich glaube, es wäre tatsächlich spannend gewesen, dieses Jahr 2018 live miterleben und den gesellschaftlichen Prozess, hin zu einem achtsamen Umgang mit den Menschen, aktiv begleiten zu dürfen.